Du möchtest deinem Kind helfen, Stress und Ängste zu bewältigen? Atemübungen können hier unterstützen! Sie beruhigen Körper und Geist, indem sie das Nervensystem positiv beeinflussen. Mit einfachen, spielerischen Techniken kannst du deinem Kind beibringen, wie es durch bewusstes Atmen zur Ruhe kommt.

Die Atemphysiotherapeutin Marlies Ziegler zeigt vier einfache Übungen, die schon Grundschulkinder machen können.

Junge bei Atemübungen gegen Stress und Angst "Stockwerkeatmung" mit Kuscheltier auf dem Bauch

Atemübungen können gegen Stress und Angst helfen – bei Kindern, aber auch bei Erwachsenen. 

Warum Atemübungen gegen Stress und Angst helfen

Wenn dein Kind Angst hat, versetzt sich sein Körper automatisch in Alarmbereitschaft: Das Herz schlägt schneller, die Atmung wird flacher, und der ganze Körper spannt sich an. Diese Reaktionen verstärken das Gefühl der Angst noch mehr. „Es gibt eine Verbindung zwischen Nervensystem und Atmung. Daher hilft es, sich in Stress- oder Angst-Situation auf eine ruhige Atmung zu fokussieren“, sagt Atemphysiotherapeutin Marlies Ziegler. „Eine bewusst ruhige Atmung aktiviert den Teil des Nervensystems, der für Entspannung sorgt. Zudem signalisiert langsames, tiefes Atmen dem Gehirn, dass keine unmittelbare Gefahr besteht und es keinen Grund für Angst gibt. Der Herzschlag wird langsamer und das Kind kann sich insgesamt entspannen.“

Die Konzentration auf die Atmung hat noch einen weiteren angst- und stressreduzierenden Effekt, weiß Marlies Ziegler: „Das bewusste Atmen hilft, die Aufmerksamkeit von den ängstlichen Gedanken wegzulenken. Damit gelingt es leichter, dass das Kind aus dem Strudel von Sorgen und negativen Grübeleien herauskommt und ins Hier und Jetzt zurückkehrt.“

Auf diese Weise können Atemübungen sowohl körperlich als auch mental eine beruhigende Wirkung haben und deinem Kind helfen, mit seinen Ängsten, Stress und Sorgen besser umzugehen.

Jetzt zu den Atemübungen gegen Stress und Angst.

Stockwerkeatmung

Atemübungen Stockwerkeatmung, Hände auf Bauch

Die Stockwerkeatmung ist eine einfache, aber effektive Atemtechnik gegen Stress und Angst.

Sie funktioniert so: Dein Kind atmet in mehreren Etappen ein, ähnlich wie ein Aufzug, der in jedem Stockwerk kurz anhält. Nach jedem „Stockwerk“ macht dein Kind eine kleine Pause, bevor es weiteratmet. Die Atmung in Etappen macht es bei der Einatmung. Danach atmet es entspannt ohne Pausen aus. Diese Methode hilft Kindern, bewusster zu atmen und fördert Ruhe und Entspannung.

Schritt-für-Schritt Anleitung Stockwerkeatmung:

Ausgangsposition:
Dein Kind legt sich bequem auf den Rücken, damit es sich voll auf seine Atmung konzentrieren kann. Es legt seine Hände auf den Bauch oder positioniert auf dem Bauch ein Kuscheltier.

Schritt 1: Eigene Einatemlänge kennenlernen
Dein Kind atmet langsam durch die Nase ein, so tief und so entspannt wie möglich. Es soll wahrnehmen, wie lange seine Einatmung ungefähr dauert. Dabei kann es im Kopf mitzählen oder du zählst die Sekunden mit. Dann atmet es langsam wieder alle Luft aus. Gleichzeitig spürt es, wie sich Hand oder Kuscheltier auf dem Bauch mit der Atmung heben und senken.

Schritt 2: Einatmen in zwei Etappen
Dein Kind atmet wieder langsam, gleichmäßig und ruhig durch die Nase ein. Diesmal stellt es sich vor, dass es in einem Aufzug fährt. Der Aufzug stoppt nach der Hälfte der Einatmung. Hier macht dein Kind eine kurze Pause und hält den Atmen an. Dann stellt sich dein Kind vor, dass der Fahrstuhl weiterfährt und atmet mit ihm weiter so tief ein, wie es geht. Nach dem vollständigen Einatmen stoppt der Aufzug wieder und dein Kind hält kurz inne.

Wichtig ist, dass die Atemübung ohne Druck und Streben nach Perfektion durchgeführt wird. Nur dann kann sich Entspannung einstellen.

Schritt 3: Ruhige Ausatmung
Dann fährt der Aufzug wieder nach unten und dein Kind atmet mit dem Fahrstuhl langsam und ruhig ganz aus. Auch hier spürt oder beobachtet dein Kind das Kuscheltier bzw. seine Hände, die auf dem Bauch mit Aufzug fahren.

Schritt 4: Einatmen in drei Etappen
Das Prozedere von eben wiederholt dein Kind. Nun aber halten Aufzug und Atmung an drei Stockwerken. Wenn es dein Kind schafft, kann es auch in vier Etappen atmen. Vier Etappen sollten aber das Maximum sein.

Für Geübte: 3-2-1 Jetzt alles rückwärts

Wenn dein Kind die Atemtechnik bisher gut hinbekommen oder bereits Erfahrung mit Atemübungen hat, kann es nun die Abfolge in umgekehrter Reihenfolge machen.

Es atmet zunächst in drei Etappen, dann in zwei Etappen und zuletzt in einer Etappe ein. Anschießend ruhig und entspannt alle Luft durch die Nase aus.

Übe mit deinem Kind die Stockwerkeatmung im Alltag, damit es die Atemübung in Stress- und Angstsituation abrufen kann. Da sich dein Kind nicht immer hinlegen kann, ist es sinnvoll, die Stockwerkeatmung auch mal im Sitzen oder Stehen zu praktizieren.

Variante mit Kuscheltier

Die Variante mit Kuscheltier hilft deinem Kind, sich das Bild mit dem Aufzug noch besser vorzustellen. Denn es spürt nicht nur, wie sich die Bauchdecke je Stockwerk hebt und danach wieder senkt, sondern es kann das Kuscheltier auch bei seiner Fahrt beachten. Außerdem bekommt die Atemübung damit eine spielerische Note. Dein Kind kann das Kuscheltier auch als Verbündeten gegen die Angst sehen.

Beachte: Die Variante mit Kuscheltier funktioniert ausschließlich im Liegen.

Atemübung Stockwerkeatmung mit Kuscheltier auf Bauch seitlich

Atemübung mit Röhrchen

Für diese Atemübung gegen Stress und Angst braucht ihr einen Strohhalm. Von diesem schneidest du etwa ein Drittel ab. Dieses Drittel verwendet dein Kind als Röhrchen für die Atemübung.

Dein Kind atmet ruhig und lange durch die Nase ein. Dann nimmt es das Röhrchen in den Mund und atmet durch dieses langsam und lange aus. Das Röhrchen bewirkt eine Verlängerung der Ausatmung, was für Entspannung sorgt und zur Beruhigung beiträgt. Außerdem kann sich dein Kind vorstellen, dass es das Angstmonster mit dem Röhrchen wegbläst und damit die Sorgen vertreibt.

Päckchenstellung

Junge macht auf Teppich Päckchen-Übungen

Neben der Atemtechnik tragen bestimmte Körperstellungen zur Beruhigung bei Stress und Angst bei. Zum Beispiel die Päckchenstellung. Wer Yoga macht, kennt die Körperhaltung unter dem Namen „Stellung des Kindes“.

Für die Päckchenstellung kniet sich dein Kind auf den Boden, zieht die Beine an und legt den Oberkörper über die Knie. Die Arme können entweder nach hinten ausgestreckt oder nach vorne gelegt werden. Der Kopf ruht auf den Händen oder auf dem Boden. Diese Position wirkt entspannend und vermittelt das Gefühl von Schutz und Geborgenheit. In dieser Haltung atmet dein Kind tief und langsam durch die Nase in den Bauch.

Progressive Muskelentspannung

Diese Technik wird in vielen Entspannungstherapien genutzt. Dein Kind spannt nacheinander gezielt einzelne Muskelgruppen an – zum Beispiel die Hände, Arme, Beine – und lässt die Spannung anschließend wieder los. Dabei atmet es ruhig durch die Nase.

Durch die gezielte Muskelanspannung und -entspannung wird der Körper beruhigt und Anspannung abgebaut.

Atemübungen gegen Stress und Angst im Alltag trainieren

Die gezeigten Übungen sind eine einfache Möglichkeit, um in stressigen Momenten Ruhe und Selbstkontrolle zu finden. Dabei ist es sinnvoll, dass dein Kind die Atemübungen in stress- und angstfreien Momenten übt, damit es diese in kritischen Situationen leichter abrufen kann.

Angst und Stress kann bei Kindern zum Beispiel vor dem Schulstart, vor Prüfungen, zur Zeugnisvergabe, aufgrund einer bevorstehenden Veränderung, Verlust einer geliebten Person oder ähnlichem entstehen. Indem du mit deinem Kind Atemübungen trainierst, lernt es, mit Stress- und Angstsituationen leichter umzugehen.

Übrigens: Auch Erwachsene können von den Übungen profitieren. Übe mit deinem Kind gleich mit! 😉

Atempysiotherapeutin Marlies Zielger

Über Marlies Ziegler, Atemphysiotherapeutin

Marlies Ziegler arbeitet als niedergelassene Physiotherapeutin in München. Ihr Schwerpunkt liegt auf der Atemphysiotherapie. Seit 1998 behandelt sie Kinder und Erwachsene mit chronischen Atemwegserkrankungen und führt Atemschulungen im Bereich Stressbewältigung durch.

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Beachte bitte: Die Inhalte dienen lediglich der Information und Inspiration. Sie sind kein Ersatz für eine Therapie oder ärztliche Begleitung. Wenn dein Kind sehr häufig unter Ängsten leidet, solltest du eine Ärztin oder einen Arzt aufsuchen.

Die in den Interviews gemachten Aussagen geben die individuelle Sichtweise der Interviewten wieder. Sie spiegeln nicht zwangsläufig meine Meinung, Sichtweise oder den allgemeinen Stand der Wissenschaft wider.
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Das Interview ist im Rahmen der Arbeit an meinem Kinderbuch über Angst und wie man diese überwindet »Der Sumpfmumpf und die Hoffnung« entstanden, ein Mutmachbuch mit Illustrationen von Thomas Handl.

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