Katharina Friederich-Dumelin erzählt, wie sie auch in der dunkelsten Zeit Hoffnung schöpfen konnte

Katharina steht mitten im Leben, als sie die Diagnose Brustkrebs erhält. Sie ist berufstätig, aktiv und Mutter zweier Söhne. Und dann: Alles auf Stopp! Erst einmal den Krebs besiegen und wieder gesund werden. Wie geht man mit einer solch schwierigen Situation um? Wie schöpft man trotz schwerer Krankheit Hoffnung? Ein offenes Gespräch über Ängste, Herausforderungen und Zuversicht in dunklen Zeiten.

Porträt Katharina Friederich-Dumelin, Brustkrebsüberlebende und Trauerbegleiterin

„Für mich ist Hoffnung wie eine Flamme, die in jedem Menschen brennt. In mir brennt dieses Flamme sehr stark“, sagt Katharina Friederich-Dumelin (Foto: Stephanie Widmer)

Wie hast du dich gefühlt, als du die Diagnose Brustkrebs erhalten hast?

Katharina: Es klingt vielleicht komisch, aber das erste Gefühl war Erleichterung. Denn mir ging es damals schon seit einem halben Jahr schlecht. Ich war ständig sehr müde und erschöpft, hatte immer wieder leichtes Fieber sowie Schmerzen in der Brust. Ich spürte, dass etwas mit mir nicht stimmte. Aber die Ärzte nahmen mich nicht ernst. Als ich eine Brustentzündung bekam und man eine Verhärtung in der Brust feststellte, wurde eine Biopsie gemacht. Eine Woche später erhielt ich die Diagnose Brustkrebs. Das brachte Klarheit. Endlich wusste ich, dass ich mir meine Symptome nicht eingebildet hatte, sondern dass eine ernsthafte Erkrankung dahintersteckte. Nach der ersten Erleichterung kam eine große Leere. Als ich die Diagnose erhielt, war ich allein beim Arzt und konnte meinen Mann nicht erreichen. Ich hatte das große Bedürfnis, mit jemandem zu sprechen. Aber das war in diesem Moment nicht möglich, was sehr schwer für mich war. In den folgenden Tagen überkam mich ein Gefühl der Überforderung.

Wie bist du mit diesem Gefühl der Überforderung umgegangen?

Katharina: Ich musste alles erst einmal für mich einordnen und habe mich in diesen ersten Stunden wirklich sehr allein gefühlt. Dieses Gefühl des Alleinseins hat sich durch die gesamte Zeit der Erkrankung gezogen. Es saß tief in mir drin, auch wenn ich mir das nicht habe anmerken lassen und Menschen für mich da waren. Ich trug den Glaubenssatz in mir: Ich muss das alles allein durchstehen. Gefühle von Todesangst, Sorge, Verzweiflung, Kontrollverlust – alles stürzte auf mich ein. Der Kontrollverlust machte mir am meisten Angst. Was wird passieren? Was geschieht mit mir? Wie viel Zeit habe ich noch mit meinen Kindern? Wie soll das Leben weitergehen? Planen ist in so einem Fall nicht mehr möglich. Es war emotional belastend. Als ich erfuhr, dass ich einen Tumor in der Brust hatte und nur die Lymphknoten befallen waren, sich aber zum Glück keine Metastasen an anderen Stellen ausgebildet hatten, haben mein Mann und ich mit den Kindern gesprochen. Das war ungefähr eine Woche nach der Diagnose. Es war mir wichtig, den Jungs eine hoffnungsvolle Perspektive zu geben.

Woher hast du in der Zeit der Krankheit Hoffnung und Kraft geschöpft?

Katharina: Die meiste Kraft haben mir meine Kinder gegeben. Sie waren mein Anker im Leben und der Antrieb, alles auszuhalten und durchzustehen – die Chemotherapie, die Operation und die Bestrahlungen. Die Hoffnung war immer da. Für mich ist Hoffnung wie eine Flamme, die in jedem Menschen brennt. In mir brennt diese Flamme sehr stark. Das habe ich schon immer gespürt, aber erst in einem Resilienzkurs, den ich einen Tag vor der Diagnosestellung besucht habe, ist mir das so richtig bewusst geworden. Ich kann mich auf meine Resilienz verlassen und darauf vertrauen. Deshalb konnte ich auch die Schwächen und Schattenseiten der Krankheit zulassen. Denn im Schmerz spürt man die Hoffnung am besten. Die Diagnose war für mich wie ein Fingerzeig des Lebens, der mir sagt: Katharina, jetzt ist es an der Zeit, dich um dich selbst zu kümmern. Dieser Gedanke hat mir geholfen, alle Gefühle zuzulassen und anzunehmen.

Wie haben dir andere Menschen Hoffnung schenken und Mut gegeben?

Katharina: Mut gemacht hat mir das Beispiel meiner Zwillingsschwester. Sie hat vor fünf Jahren einen bösartigen Hirntumor überlebt und meistert trotz großer Beeinträchtigungen ihren Alltag. Hoffnung konnte ich auch aus der Unterstützung vieler lieber Menschen schöpfen, die fest an meiner Seite standen – mein Mann, meine Kolleginnen und Kollegen und eine Bekannte, die bereits eine Brustkrebserkrankung überstanden hatte. Ihre regelmäßigen Chatnachrichten und der Austausch mit ihr haben mir besonders viel Zuversicht und Hoffnung gegeben, die Krankheit und den Umgang damit zu meistern.

Ein Chat voller Hoffnung, sozusagen? Kannst Du das näher beschreiben?

Katharina: Ein Chat voller Hoffnung, ja, das kann man so sagen. Ich habe damals Kontakt zu dieser Bekannten aufgenommen, obwohl ich sie nicht gut kannte. Wir lebten damals weit voneinander entfernt, weswegen wir chatteten. Durch den Austausch über die Diagnose und die Krankheit hat sich eine ganz besondere Freundschaft entwickelt. Diese Freundin gab mir sehr viel Halt. Bei ihr konnte ich meine Maske fallen lassen und über alles reden, weil ich wusste: Sie versteht mich. Unsere Geschichten ähnelten sich. Wir waren etwa gleich alt, als der Brustkrebs ausbrach, hatten beide Kinder und waren berufstätig. Durch ihre Erfahrungen und das Teilen ihrer Erlebnisse gab sie mir immer das Gefühl: Ich verstehe dich. Ich weiß genau, wie du dich fühlst, und das ist okay. Du darfst dich so fühlen. Durch ihre Anteilnahme konnte ich meine Situation immer wieder akzeptieren und nach vorne schauen. Das war wie ein Geschenk. Noch immer ist uns der Austausch wichtig. Wir unterstützen uns dadurch gegenseitig. Wir haben beide erlebt, dass die Gespräche Heilung bringen – für jede von uns. Die Auseinandersetzung mit meiner Geschichte hat bei meiner Freundin vieles in Bewegung gebracht. Sie hat zum Beispiel zum ersten Mal über die Fatigue, einen Zustand ständiger Erschöpfung, nachgedacht und gemerkt, dass sie darunter leidet. Durch meine Erzählungen hat sie den Mut, die Fatigue bei den Ärzten anzusprechen.

Hast du durch deine Krebserkrankung etwas gelernt?

Katharina: Ich habe gelernt, dass es essenziell ist, sich Unterstützung zu holen und sich auf die eigenen Ressourcen zu besinnen. Der Austausch mit anderen ist wichtig, um Ängste teilen und verarbeiten zu können. In der Zeit meiner Erkrankung ist es mir gelungen, den Glaubenssatz „Ich muss es allein schaffen“ loszulassen. Der Gedanke: „Ich muss für andere stark sein“ trat in den Hintergrund. Die Krankheit hat mir gezeigt, dass es legitim und lebensnotwendig ist, sich Zeit für sich zu nehmen, sich um sich selbst zu kümmern. Durch die Krebserkrankung habe ich auf jeden Fall gelernt, mir meine Zeit einzuteilen, mir Pausen zuzugestehen, mich selbst und die Selbstfürsorge ernst zu nehmen. Daran erinnere ich mich jetzt immer wieder selbst. Denk an dich, Katharina. Jetzt ist Zeit, dich wieder um dich zu kümmern. Der Glaube, aus schwierigen Situationen lernen zu können, gab und gibt mir Hoffnung.

Was würdest du anderen, um Hoffnung zu finden, wenn man krank ist? Was sind Deine 5 wichtigsten Tipps?

Katharina: Mir hat am meisten geholfen:

  1. Vertrauen in mich selbst, in meine Fähigkeiten und Ressourcen.
  2. Geduld haben und daran glauben, dass alles zu seiner Zeit kommt.
  3. Hoffnungsvolle Menschen um mich zu haben, die mir zuhören, mich verstehen, mir Lebensfreude geben und mich mitreißen.
  4. Menschen meiden, die eine negative Grundeinstellung und Ausstrahlung haben. Das zieht runter und raubt Kraft. Während der Krankheit braucht man aber alle Energie für sich selbst und die Genesung.
  5. Einen kreativen Ausdruck für meine Gefühle zu finden, sei es durch Malen oder andere künstlerische Tätigkeiten. Damit verleiht man dem Ausdruck, was unausgesprochen bleibt. Das schafft eine Möglichkeit über diese Werke mit anderen, wie zum Beispiel der Familie, ins Gespräch zu kommen und mit der Situation besser umzugehen.

Liebe Katharina, vielen Dank für dieses offene Gespräch.

Über Katharina Friederich-Dumelin

Katharina ist ausgebildete Kindergartenlehrkraft, Aktivierungsfachfrau und Trauerbegleiterin. Im Jahr 2022 gründete sie das Trauercafè in Riggisberg in der Schweiz, um einen Ort des Austausches zu schaffen. Außerdem engagiert sie sich bei der KrebsligaSchweiz und gibt ihre Erfahrungen in Gesprächen an Krebsbetroffene weiter.

Mehr über Katharina findest Du auf ihrem Instagram-Account @katharina.friederich_lebt

 

 

 

Das Interview habe ich im Rahmen der Entstehung meines Kinderbuches über Angst »Der Sumpfmumpf und die Hoffnung« geführt. In der turbulenten Geschichte muss Amelie ihre Angst annehmen und überwinden, um ihre Hoffnung retten.

Cover Kinderbuch Der Sumpfmumpf und die Hoffnung

 

Mehr Hoffnungsvolles findest Du im Blog

 

Hinweis: Die in den Interviews gemachten Aussagen geben die individuelle Sichtweise der Interviewten wieder. Sie spiegeln nicht zwangsläufig meine Meinung, Sichtweise oder den allgemeinen Stand der Wissenschaft wider.

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